08.09.2024

Paralympics 2024

Paralympics 2024: Drei Medaillen, historische Momente und Herausforderungen - eine Bilanz des BSN

Hannover/Paris, 8. September 2024 – Heute enden die Paralympischen Sommerspiele 2024 in Paris. Mit 17 Sportler*innen haben sich so viele Aktive wie nie zuvor in der BSN-Historie für die Spiele qualifiziert. Der BSN zieht Bilanz über das größte Event im Para Sport und blickt in die Zukunft.


„Drei Medaillen und gleich mehrere historische Momente – die Paralympischen Spiele in Paris haben uns begeistert. Sowohl die Leistungen unserer Sportlerinnen und Sportler als auch die Atmosphäre an den Wettkampfstätten waren beeindruckend“, so BSN-Präsident Karl Finke. „Wir haben einige Überraschungen, knappe Entscheidungen und leider auch Enttäuschungen erlebt. Auch das gehört zum Sport dazu.“

In einigen Sportarten wie Para Badminton, Para Rudern und Para Dressursport gab es im Vorfeld kleine Medaillenhoffnungen. In anderen Disziplinen, wie dem 100-Meter-Rennen von Laura Burbulla, war klar, dass die Medaillen außer Reichweite liegen würden. Neben den Medaillengewinnen von Thomas Wandschneider im Para Badminton und Hermine Krumbein im Para Rudern ist besonders der dritte Platz der Rollstuhlbasketball-Herren hervorzuheben.

Die BSN-Athlet*innen traten in insgesamt 20 Entscheidungen an. Mit insgesamt drei Medaillen und sieben weiteren Top-8-Platzierungen ist das Ergebnis zufriedenstellend. Doch es gibt auch Herausforderungen.


Anders Spielmeyer, Leiter des Ressorts Leistungssport im BSN, sieht diese Herausforderungen für den Nachwuchsleistungssport bereits vor der Talentförderung – beim Einstieg in den Para Sport. Die Themen reichten von fehlenden wohnortnahen Sportangeboten über die geringe Anzahl qualifizierter Trainer* innen und Übungsleitenden bis hin zur Hilfsmittelversorgung, beispielsweise mit Sportrollstühlen. Auch die Barrierefreiheit spiele nach wie vor eine Rolle, nicht nur an den Sportstätten, sondern auch auf dem Weg dorthin.

„Wir haben einen Talentscout eingestellt und damit einen wichtigen Schritt in der Sichtungsarbeit gemacht. Hinzu kommen neue Projekte, die bereits beim Einstieg in den Sport im Kindesalter ansetzen und über die wir hoffentlich das eine oder andere Talent für den Leistungssport begeistern können.“ Auch die Aufstockung des Trainerpersonals sei ein ständiges Thema.

Der BSN spricht mit vielen Partnern, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Aber: Bis diese Arbeit Früchte trägt, wird es dauern. „Niemand wird aus dem Stand Paralympics-Sieger*in“, so Spielmeyer.

 

Einschätzungen und Stimmen zum Abschneiden der BSN-Sportler*innen bei den Paralympischen Spielen 2024:


Para Badminton

Marcel Adam (Verein: VfL Grasdorf/Team BEB, Startklasse: SL4, Disziplin: Einzel (Platz 9))

Rick Cornell Hellmann (VfL Grasdorf/Team BEB, WH2, Einzel (9.) und Doppel (7.))

Thomas Wandschneider (VfL Grasdorf/Team BEB, WH1, Einzel (BRONZE) und Doppel (7.))


Der Gewinn der Bronzemedaille durch Thomas Wandschneider ist historisch. „Als erster Deutscher habe ich eine Medaille in dieser Sportart bei den Spielen gewonnen. Das ist noch niemandem im olympischen oder paralympischen Badminton vorher gelungen“, feierte Wandschneider nach seinem Erfolg. Im Doppel schied er mit Partner Rick Hellmann in der Gruppenphase aus. Hellmann und Adam kamen in ihren Einzelmatches ebenfalls nicht über die Gruppenspiele hinaus. Bemerkenswert: alle deutschen Para Badmintonspieler, die in Paris am Start waren, trainieren am Bundesstützpunkt in Hannover.


Para Bogensport

Flora Kliem (ASC Göttingen, Recurve Open (Standing), Women's Individual Recurve Open (9.))


Den Fluch vom neunten Platz konnte Flora Kliem auch vor begeisterten und begeisternden Zuschauer*innen in Paris nicht abschütteln. Im Achtelfinale unterlag sie knapp gegen die Ziva Lavrinc aus Slovenien. Dabei hatte sie sehr gute Chancen aufs Weiterkommen. Mit einer Sieben wäre Kliem ins Viertelfinale eingezogen, schoss jedoch eine Fünf und schied aus.

„Es ist Enttäuschung da, weil es so knapp war und in meiner Hand lag. Es waren definitiv die Nerven. Aber ich bin froh, dass ich auch eine andere Seite zeigen konnte. Ich habe eine 27 geschossen, was echt stark ist. Und allein, dass ich jetzt hier war, hat mich mental so weit nach vorne gebracht. In diesem Teilnehmerinnenfeld hatte ich eine der schlechtesten Weltranglistenpositionen, hab das Match gegen die Weltranglisten-Sechste gewonnen und muss mich darum mit Platz neun auch nicht verstecken oder schämen.“


Para Dressursport

Isabell Nowak (RZFV Stadthagen/Team BEB, Grade V, Einzel (4.), Kür (4.))


Isabell Nowak war erst kurz vor den Spielen als Nachrückerin nominiert worden, weil das Pferd einer Teamkollegin überraschend eingeschläfert werden musste. Nowak nahm die Herausforderung an. Im Einzel ritt sie als Erste und lag lange Zeit auf dem Bronzerang. Erst die drittletzte Starterin – Sophie Wells aus Großbritannien – schob sich vor Nowak. „Es war der Wahnsinn. Als Reservereiterin hierherzukommen und so lange auf dem dritten Platz zu sein und dann wirklich auch knapp die Bronzemedaille zu verpassen, ist einerseits sehr sehr ärgerlich. Auf der anderen Seite: wer hätte gedacht, dass wir so weit kommen“, so Nowak unmittelbar nach dem Einzel-Wettkampf. Auch in der Kür belegte Nowak bei ihrem Paralympics-Debüt Platz vier.


Para Leichtathletik

Laura Burbulla (VfL Wolfsburg/Team BEB, T37, Weitsprung (7.) und 100m (10.))

Phil Grolla (VfL Wolfsburg/Team BEB, T47, 100m (10.))


Laura Burbulla war mit 19 Jahren die jüngste Teilnehmerin des BSN in Paris. Der Weitsprungwettbewerb hatte klare Priorität vor den 100 Metern. „Die Lautstärke, das Anfeuern, diese Kulisse und dass wir auch noch zwei französische Springerinnen im Wettkampf hatten – das war schon ganz besonders“, zeigte sie sich nach dem Weitsprung beeindruckt von der Kulisse im Stade de France. Mit 3,95 Metern blieb sie hinter ihrer Bestleistung zurück, zeigte sich aber dennoch zufrieden. Bei ihrem Start über 100 Meter sprintete sie zwar Saisonbestleistung (15,33 Sekunden), schied aber dennoch aus.


Im Gegensatz zu Burbulla lag der Fokus von Sprinter Phil Grolla auf den 100 Metern. Ein Finaleinzug schien trotz Knie-OP im vergangenen Jahr realistisch. Am Ende verpasste der 23-jährige diesen um eine Zehntelsekunde und beendet die Spiele in Paris auf Platz 10. „Der Lauf war nicht gut, ich habe am Start etwas verloren und bin etwa zwanzig Meter vor dem Ziel leicht ins Straucheln gekommen. Ich habe mir natürlich das Finale erhofft“, so der Wolfsburger.


Para Rudern

Hermine Krumbein (RK Normannia Braunschweig/Team BEB, PR3, Mixed Zweier (BRONZE)


Am Ende war es knapp. Sehr knapp. In einem Herzschlagfinale mit Fotofinish gewann Großbritannien Silber vor Deutschland. Nach zweitausend Metern und einem packenden Zielsprint des deutschen Mixed-Zweiers lagen gerade einmal zwölf Hundertstel zwischen beiden Plätzen. „Wir haben Bronze gewonnen und nicht Silber verloren. Ich bin wahnsinnig stolz auf diese Medaille und wie wir sie uns erarbeitet haben. Wir haben alles auf dem Wasser gelassen und uns damit belohnt“ freute sich Hermine Krumbein. Gemeinsam mit ihrem Mixed-Partner Jan Helmich (Dortmund) gewann sie die einzige deutsche Para-Ruder-Medaille und die erste Medaille aus niedersächsischer Sicht bei den Spielen in Paris.


Para Sportschießen

Tjark Liestmann (SV Ladekop, SH1, R3 Luftgewehr liegend (13.))


Auch für Tjark Liestmann waren die Paralympischen Spiele eine Premiere. Allerdings nicht in Paris, sondern im rund 300 Kilometer entfernten Châteauroux wo die Wettbewerbe im Para Sportschießen ausgetragen wurden. Liestmann ging im R3 (Luftgewehr liegend) an den Start und schied mit Platz 13 aus – eine Platzierung unter den ersten Acht wäre für eine Finalteilnahme nötig gewesen. „Mit demselben Ergebnis habe ich letztes Jahr den Quotenplatz für die Spiele geholt. Auch wenn ich während des Schießens teilweise merklich nervös war, war es ein geniales Gefühl hier einen guten Wettkampf abgeliefert zu haben. Ich bin zufrieden“, so der 24-Jährige.


Para Tischtennis

Björn Schnake (TSV Thiede 1900/Team BEB, WK7, Einzel (5.), Doppel (9.), Mixed (17.))


Im Doppel und im Mixed war schnell Schluss für Björn Schnake. Im Einzel schied der Bronzemedaillengewinner von Tokio gegen den Briten William Bayley im Viertelfinale aus. „Das Mixed war einfach zu stark für uns. Unsere Gegner haben perfekt gespielt und uns nicht ins Spiel finden lassen. Das Doppel war offen, hier konnten wir nicht die Leistung abrufen, die nötig gewesen wäre“ schätzt Schnake die Spiele ein. Nachdem er im Einzel zunächst den Chinesen Keli Liao klar mit 3:0 geschlagen hatte, übte er nach dem Viertelfinal-Aus Kritik am Aufschlagverhalten seines Gegners und an den Schiedsrichtern. „Immer wenn es eng wird, kommen Aufschläge, die man nicht sehen kann. Das ist laut Regelwerk nicht erlaubt. Das sind die vier Punkte, die ich am Stück weggegeben habe im dritten Satz. Ich habe um jeden Ball gekämpft und habe alles gegeben“, so Schnake in der ARD.


Rollstuhlbasketball Damen

Vanessa Erskine (Hannover United/Team BEB, 1,0 (6.))


Die deutschen Rollstuhlbasketball-Damen hatten sich viel vorgenommen vor den Spielen, mit dem Halbfinaleinzug geliebäugelt. Am Ende gab es in der Gruppe nicht nur eine deutliche Niederlage gegen Topfavorit Niederlande (48:68), sondern noch deutlicher gegen die USA (44:73). Das Spiel gegen Japan entschieden die Damen mit 67:55 für sich. Doch schon im Viertelfinale folgte der nächste Dämpfer. Kanada lies den Deutschen keine Chance und zog nach einem verdienten 71:53-Sieg ins Halbfinale ein.

Im Spiel um Platz fünf unterlag das deutsche Team der Mannschaft aus Großbritannien (39:48). „Platz sechs – da ist noch Luft nach oben“, äußerte Erskine sich knapp.


Rollstuhlbasketball Herren

Alexander Budde (Hannover United/Team BEB, 3,5 (BRONZE)

Jan Haller (Hannover United/Team BEB, 2,0 (BRONZE)

Tobias Hell (Hannover United/Team BEB, 1,0 (BRONZE)

Jan Sadler (Hannover United/Team BEB, 3,0 (BRONZE)


Historisch ist der Gewinn der Bronzemedaille der Rollstuhlbasketballer. Seit 1992 bei den Spielen in Barcelona gab es keine Medaille mehr für das Herren-Team.
Dabei sah es im Bronze-Match zunächst nicht gut aus für das deutsche Team. Kanadas Top-Scorer Patrick Anderson traf und traf. Zur Halbzeit lagen die Deutschen mit acht Punkten zurück, kamen aber stark aus der Kabine, drehten im dritten Viertel richtig auf und kamen bis auf einen Zähler heran. Im vierten Viertel drehte die Mannschaft von Michael Engel das viel dann vollends, war physisch überlegen und fügte den Kanadiern einen Rückschlag zu, von dem sie sich nicht mehr erholen sollten. „Die Arbeit, die wir in den letzten Jahre hier reingesteckt haben, zahlt sich jetzt aus. Der Stützpunkt in Hannover ist extrem wichtig für uns. Das hohe Trainingsniveau hilft uns natürlich dann auch auf dieser Bühne zu performen“, so Alexander Budde unmittelbar nach dem Spiel.

Mit vier Spielern stellen die BSN-Sportler den Großteil des Zwölfer-Kaders der Herren-Nationalmannschaft. Alle trainieren am Bundesstützpunkt in Hannover unter Martin Kluck.

 

Rollstuhlrugby

Marco Herbst (VfL Grasdorf/Team BEB, 3,5 (8.)

Mascha Mosel (TSV Achim/VfL Grasdorf/Team BEB, 2,5 (8.)


Im Unterschied zum Rollstuhlbasketball wird Rollstuhlrugby in Mixed-Teams gespielt, weshalb Marco Herbst und Mascha Mosel in einer Mannschaft spielen. Diese Mannschaft hatte schon vor den Paralympics in Paris historisches erreicht. Denn zum ersten Mal seit 16 Jahren hatte sich eine deutsche Mannschaft überhaupt wieder für die Spiele qualifiziert. In Paris gab es für die Spieler*innen dann leider nichts zu gewinnen. Trotz guter Vorstellungen und toller Aktionen gab es drei Niederlagen in den Gruppenspielen (44:55 gegen Japan, 47:54 gegen Kanada, 47:57 gegen die USA). Auch gegen Gastgeber Frankreich (48:54) und im Platzierungsspiel gegen Dänemark (49:56) gab es für das Team um Kapitän Marco Herbst nichts zu holen. „Es war von vornherein klar, dass es verdammt schwer wird. Ich glaube, dass wir uns gut verkauft haben und gezeigt haben, dass wir die Großen phasenweise ärgern können. Jetzt gilt es, dass wir das nicht nur punktuell hinbekommen, sondern uns für unsere Arbeit belohnen. Hier waren die derzeit besten Teams am Start und wir sind nicht so weit weg, wie die Ergebnisse es vermuten lassen“, konstatierte Herbst.

 

Zahlen, Daten, Fakten – Paris 2024

17 BSN-Sportler*innen bei den Paralympics – so viele wie noch nie in der BSN-Historie

  • Rund zwölf Prozent des Team D Paralympics.
  • Zweitgrößter Anteil hinter Nordrhein-Westfalen

3 Medaillen (3x Bronze)

  • Rund 7 % der gesamtdeutschen Medaillenausbeute (Stand: 08.09.)

Historisch 1:

  •  Thomas Wandschneider ist der erste Badmintonspieler, der eine Medaille bei den Spielen gewinnt.

Historisch 2:

  • Die Rollstuhlbasketball-Herren haben zum ersten Mal seit 1992 eine Medaille gewonnen.

Historisch 3:

  • Rollstuhlrugby hatte sich zum ersten Mal seit 16 Jahren für die Paralympischen Spiele qualifiziert.